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Aktuelle Rechtsprechung zur Ausführbarkeit von Erfindungen

Urteil vom 24.06.2020, [2020] UKSC 27, Supreme Court United Kingdom.

Ein beanspruchtes Erzeugnis ist nur dann ausreichend offenbart, wenn der Fachmann anhand der Angaben im Patent in der Lage ist, im Wesentlichen die gesamte Breite an Erzeugnissen herzustellen, die in den Schutzbereich des Patents fällt.

Ein potentieller Beitrag der Erfindung zum Nutzen von Erzeugnissen, die derzeit nicht herstellbar sind, aber möglicherweise in Zukunft herstellbar sein könnten, befreit nicht von dem Erfordernis der Ausführbarkeit.

Gegenstand des Patentstreits sind die Verletzung und Rechtsbeständigkeit von zwei europäischen Patenten in Großbritannien – das Stammpatent EP 1 360 287 und eine zugehörige Teilanmeldung des Biotechnologie-Unternehmens Regeneron. Die Streitpatente betreffen transgene Mäuse, welche nach entsprechender genetischer Modifikation Hybrid-Antikörper produzieren, sowie deren Herstellung. Dazu werden variable Regionen menschlicher DNA in das Genom von Mäusen eingebracht. Die konstanten Regionen der murinen DNA bleiben erhalten, weshalb die Mäuse gesundheitlich wenig beeinträchtigt werden und signifikante Mengen an Hybrid-Antikörpern erzeugen können.

In der ersten Instanz erklärte das Gericht die Streitpatente wegen nicht ausreichender Offenbarung für nichtig. Dies wurde damit begründet, dass der Fachmann am Prioritätstag lediglich in der Lage gewesen sei, einzelne murine Gensequenzen durch menschliche Gensequenzen zu ersetzen, der Schutzbereich der Streitpatente aber auch den vollständigen Austausch von murinen variablen Gensequenzen durch menschliche variable Gensequenzen umfasst habe.

Im Gegensatz dazu fasste der Court of Appeal den Gegenstand der Streitpatente eher als allgemein anwendbares Prinzip auf und vertrat die Meinung, dass die Erfindung patentfähig sei, unabhängig davon, ob jede Ausführungsform herstellbar sei.

Die Verletzungsbeklagte des parallelen Verfahrens legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Court of Appeal ein.

Entscheidung:

Der Supreme Court stellte klar, dass es sich bei den beanspruchten transgenen Mäusen nicht um ein einziges Produkt, sondern um eine Vielzahl von Produkten handle, da die Genstruktur der Hybrid-Antikörper einzelne Varianten menschlicher Gensequenzen oder aber alle Varianten eines bestimmten Genlokus enthalten könne. Am Prioritätstag seien aber nur Genstrukturen mit wenigen menschlichen Gensequenzen herstellbar gewesen. Es sei in den Streitpatenten nicht offenbart, wie eine Genstruktur erzeugt werden könne, bei der die gesamte menschliche variable Region mit der konstanten murinen Region kombiniert werden könne. Aus diesen Gründen sei die Erfindung nicht ausführbar. Zudem stimme der Schutzumfang der Streitpatente nicht mit dem Beitrag, den die Erfindung zum Stand der Technik leiste, überein, weshalb das Erfordernis einer ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt sei. Es komme nicht darauf an, ob die Erfindung einen Beitrag zu Produkten, die möglicherweise in Zukunft herstellbar sein könnten, leisten könne, sondern darauf, ob der Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik in einem angemessenen Verhältnis zum beanspruchten Schutzbereich stehe.

Fazit:

Die Entscheidung stellt erneut hohe Anforderungen an die ausreichende Offenbarung der Erfindung in Patenten. Im Ergebnis unterstreicht dieses Urteil nochmals wie wichtig es ist, in der Patentanmeldung zu beschreiben, dass ein Produkt oder ein Verfahren im gesamten beanspruchten Bereich eine technische Wirkung hat und dies schon bei der Ausarbeitung von Patentanmeldungen durch experimentelle Ergebnisse zu stützen.

Dr. Christoph Heinemann                    Dr. Kerstin Wienhold

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